Vorwort von Gerhard Schröder
Mit dem 21. Jahrhundert hat die Welt eine Zeit großer Herausforderungen erreicht. Die Verwerfungen der internationalen Finanzkrise, der Wandel des Weltklimas oder die ungleiche globale Verteilung von Armut und Reichtum sind nur einige Beispiele. Auf diese Herausforderungen werden wir neue Antworten finden müssen.
Dies gilt auch für die Zukunft Europas. Es tut Not, sich die politischen Dimensionen immer wieder vor Augen zu führen: Wir werden unseren Weg in eine bessere Zukunft nur fortsetzen können, wenn wir das auf der Basis eines geeinten Europas tun. Dabei geht es um die Bewahrung der Errungenschaften von mehr als sechs Jahrzehnten Frieden und Wohlstand, aber es geht auch um die Bedeutung Europas in der Welt von morgen. Kein europäischer Nationalstaat wird alleine die Stärke haben, auf der internationalen Bühne zwischen den wiedererstarkten USA und neuen Mächten wie China eine Rolle zu spielen. Nur gemeinsam können wir Europäer unsere Wertvorstellungen und Interessen in der internationalen Staatengemeinschaft zur Geltung bringen.
Die Überwindung der europäischen Krise fußt auf drei Fundamenten: Struktureller Wandel, Wachstumsimpulse und weitere politische Integration. Jedes dieser Ziele erfordert die Fähigkeit zur Selbsterneuerung und Reform, aber auch zu Mut und Beharrlichkeit. Denn obgleich sich Erfolge einer Reformpolitik teils erst viele Jahre später realisieren, müssen die Entscheidungen heute getroffen werden. Politische Führung bedeutet dabei, dies im Zweifel auch um den Preis eines möglichen Machtverlustes zu tun.
In politischen Diskussionen droht die Differenzierung zwischen dem, was dringend und dem, was wichtig ist, manchmal zu verschwimmen. In einer Krise muss man schnell und entschlossen reagieren. Es ist jedoch genauso wichtig, die großen Linien unseres Handelns zu betrachten. Das Berggruen Institute on Governance wurde zu eben diesem Zweck ins Leben gerufen. Es bringt ehemalige Staats- und Regierungschefs sowie Experten aus der ganzen Welt zusammen, um über eine bessere Art der Regierungsführung in einen Dialog zu treten. Diesen Dialog angestoßen zu haben, ist das Verdienst des Instituts. Und dieser Dialog ist wichtig, um einen Beitrag zu leisten, die aktuellen Herausforderungen, europäisch wie global, zu meistern.
Das Buch »Klug regieren« will ebenso einen Debattenbeitrag leisten, um nach Antworten für fundamentale Fragen der Organisation unseres Zusammenlebens und des Regierens zu suchen. Die Thesen provozieren, weil sie Bestehendes infrage stellen. Nicht in allen Punkten wird man mit den Autoren übereinstimmen. Das gilt insbesondere für den Vorschlag, demokratische Systeme um Expertengremien zu ergänzen. Solche Gremien nicht nur mit Beratungs-, sondern auch mit Entscheidungsfunktionen auszustatten, könnte jedenfalls in Deutschland verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Aber gerade solche unkonventionellen Vorschläge regen dazu an, über die Zukunft eines guten Regierens im 21. Jahrhundert zu diskutieren, frei und ohne Scheuklappen. Das Buch leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.